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Das Portal

Innerhalb des italienischen Archivinformationssytem (Sistema Archivistico Nazionale (SAN)) sind auf dem Portal Spazi della follia [Räume des Wahnsinns] die Ergebnisse des Forschungsprojekts I complessi manicomiali in Italia tra Otto e Novecento. Atlante del patrimonio storico-architettonico ai fini della conoscenza e della valorizzazione (Nervenheilanstalten in Italien im 19. und 20. Jahrhundert. Atlas des historischen und architektonischen Bestands zum Zwecke der Erfassung und Aufwertung). Das Projekt wurde vom italienischen Bildungsministerium (MIUR) im Rahmen des Programms PRIN 2008 finanziert und von Forschern der Zweiten Universität Neapel (landesweite Koordination) mit der Universität Pisa, der Technischen Hochschulen Turin und Mailand, der Universitäten Camerino und Palermo mit der Universität „Mediterranea“ in Reggio Calabria entwickelt. Die Untersuchung reiht sich an die von der Fondazione Benetton (1999) geförderten statistischen Erfassung an und ergänzt vor allem das Projekt Carte da legare (Zu bändigende Blätter) à der Direzione Generale per gli Archivi (DGA) des italienischen Kulturministeriums (Mibac) über die regionalen Archiv-Aufsichtsinstitutionen für die Erhaltung des Dokumentenbestands der ehemaligen psychiatrischen Kliniken nach ihrer endgültigen Schließung. Forschungsthema ist die Architektur der ehemaligen italienischen Nervenheilanstalten, die heute als Folge ihrer Entfunktionalisierung häufig dem Verfall preisgegeben sind oder einer radikalen Umwidmung ausgesetzt sind, so dass die Gefahr besteht, dass ihre ursprüngliche Form und ursprünglichen Merkmale verändert, wenn nicht sogar ausgelöscht werden.

Das Portal bietet einen Gesamtüberblick über die italienische Anstaltsarchitektur mit zweierlei Arten von Daten, die kritisch ausgewertet wurden: historische Daten als Ergebnis systematischer Forschungen über den reichhaltigen und zum Großteil unerforschten Archivbestand - Dokumente und Ikonographien - unterschiedlicher Herkunft (Staatsarchive, Provinzialarchive, von den Archiv-Aufsichtsinstitutionen überwachte Archive der örtlichen Sanitätsbetriebe (ASL), Archive von Körperschaften oder einzelnen Fachpersonen, historische Bibliotheken) und einer analytischen Erfassung der zeitgenössischen italienischen und ausländischen Fachpublikationen (Handbücher, Zeitschriften); aktuelle Daten über die Merkmale, den Bestimmungszweck, den derzeitigen Schutzstatus und die Schutzauflagen, die urbanistische Lage, den Bestand, die baulichen, architektonischen und typologischen Merkmale sowie den Erhaltungszustand der Anstaltskomplexe; die Daten wurden aus Untersuchungen vor Ort gewonnen und sind mit Grafiken und Bildmaterial dokumentiert. Auf diese Weise wollte man zum einen dem kollektiven Gedächtnis eine Seite der Architektur- und Stadtgeschichte (wie auch der Medizin, den Institutionen, der Gesellschaft, der Mentalität und dem Brauchtum) hinzufügen, die bislang vernachlässigt wurde; zum anderen soll ein Prozess einer innovativen Wiederverwendung durch die Initiative öffentlicher Institutionen oder privater Personen bzw. Einrichtungen gefördert werden, die am Schutz und an der Aufwertung interessiert sind, so dass der Gemeinschaft eine wichtige Ressource zurückgegeben wird, die heute wenig oder schlecht genutzt wird.

Thema

Das Portal bietet eine komplette Inventarisierung der ehemaligen öffentlichen psychiatrischen Kliniken und ihrer Außenstellen im gesamten italienischen Staatsgebiet. Die Zahl und Vielfältigkeit der Fälle, auf die man bei einer ersten Untersuchung stieß, machten es erforderlich, im Vorfeld Entscheidungen über die Vorgehensmethode zu treffen, die eine Festlegung sowohl des Zeitrahmens als auch des Untersuchungsgegenstands betrafen. Die daraus resultierende Periodisierung - ab dem 19. Jahrhundert bis heute, auch einschließlich der nach der Schließung vorgenommenen Umwidmungen - liegt vor allem in der Geschichte der Anstaltsarchitektur selbst begründet; im Unterschied zu anderen Kategorien (auch der Architektur von Zweckbauten) entwickelt sich die Anstaltsarchitektur innerhalb eines genau vorgegebenen Rahmens. So fehlt es zwar in der Moderne nicht an Beispielen von Anstalten für die Zwangsunterbringung von „Geisteskranken“, die dann auf Personen, die an anderen Formen chronischer Erkrankungen litten oder normabweichende Verhaltensweisen zeigten, ausgedehnt wurde, jedoch werden erst im 19. Jahrhundert (und verstärkt nach der Einheit Italiens, als die Zuständigkeit für diesen Bereich den Provinzen übertragen wurde) eigens zur Behandlung von armen Geisteskranken bestimmte „Stätten“ eingerichtet, zuerst durch die Umwandlung von Räumen ehemaliger Klöster und später dann immer häufiger durch Neubauten. Bei der Planung der modernen Nervenheilanstalt, die stark von europäischen und überseeischen Modellen beeinflusst war, wird mit verschieden typologischen Lösungen - vom kompakten oder gegliederten Block-System über die Pavillon-Bauweise mit frei stehenden oder miteinander verbundenen Pavillons bis hin zur Dorfanlage - und verschiedenen Baustilen entsprechend der zeitgenössischen Formensprache experimentiert. Die baulichen und technologischen Mittel sind teilweise sehr fortschrittlich und gehen mit einer sorgfältigen, auf diesen Gebäudetyp zugeschnittenen Gestaltung sowohl des äußeren Erscheinungsbilds als auch der Einrichtungen einher. Auf seinen verschiedenen Ebenen - von der allgemeinen Anlage und der Anordnung der Pavillons über die architektonische Gestaltung, die Raumaufteilung bis hin zu den Details - ist der Entwurf das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Technikern und Nervenärzten oder Psychiatern; insbesondere kommt in der Anfangsphase der Behandlung der Krankheit sowohl der Organisation und der Qualifikation der Räume als auch der Heranziehung der Kranken zu Arbeitstätigkeiten (Beschäftigungstherapie) eine entscheidende Rolle zu. Die Untersuchung ermöglichte die Abgleichung des Wirkens bekannter Architekten (wie Francesco Palazzotto, Francesco Azzurri, Marcello Piacentini, Giuseppe Quaroni, Francesco d’Olivo, Daniele Calabi, Cesare Valle) und einer großen Anzahl an qualifizierten Fachpersonen und Technikern, die in den Provinzialämtern tätig waren und sich mit der Bauplanung und -leitung des Gründungsbaus wie auch am Aus- und Umbau und an der Anpassung der Anstaltseinrichtungen, die im Zuge der zunehmenden Anzahl an stationären Unterbringungen und den Entwicklungen in der Psychiatrie erforderlich geworden waren, befassten. Die Absicht, ein aktuelles Bild der Architektur der ehemaligen Nervenheilanstalten zu vermitteln, führte schließlich dazu, dass die Untersuchung über das Basaglia-Gesetz aus dem Jahr 1978 hinaus ausgedehnt wurde, um auch einen Blick auf die erfolgten Umwidmungen oder eventuelle laufende Projekte zu werfen .

Der Forschungsgegenstand ist systematisch gegliedert und integrativ angelegt. So will der Begriff „Nervenheilanstalten“ nicht auf den einzelnen Bau oder das einzelne Gebäude Bezug nehmen, sondern auf ein System aus Gebäuden und ergänzenden Anlagen, die in den meisten Fällen echte Mikrostädte mit genau bestimmten physischen Grenzen in Form von Umfassungsmauern und überwachten Zugängen sind. Neben den Direktionsgebäuden, den nach den verschiedenen Erkrankungen differenzierten Krankenpavillons, den ärztlichen Behandlungsräumen und den Personalunterkünften umfassen die Nervenheilanstalten auch eine Reihe von Gemeinschaftseinrichtungen (Kirche, Bibliothek bis hin zum Kino) und von Laboratorien und Werkstätten für die Beschäftigungstherapie (Tischlereien, Webereien, Schuhmachereien, Schneidereien, Druckereien usw.) sowie Grünflächen, die als Garten oder zum Obst- und Gemüseanbau genutzt werden, ja sogar echte Landwirtschaftskolonien. Die Wahl der Unterbringung, die anhand genau bestimmter Anforderungen an den Standort erfolgte (Möglichkeit eines großflächigen freien Geländes, Nähe zu Ortschaften, Erreichbarkeit, günstige Lage, Wasserversorgung und Luftqualität, Aussicht usw.) überschneidet sich mit den Stadtplanungsdebatten im 19. und 20. Jahrhundert und beeinflusste häufig die moderne Stadtentwicklung und bietet heute nach der Schließung der Anstalten ein wichtiges Thema für ihre Sanierung innerhalb des derzeitigen Gefüges im Hinblick auf eine integrierte Erhaltung, die den Schutz der historischen und architektonischen Werte mit der Zuweisung allgemein nützlicher Funktionen vereint.

Inhalte

Das Portal stellt die Eckdaten zu jeder italienischen Nervenheilanstalt bereit; diese Daten sind in 5 Bereiche geordnet: I. Kenndaten (mit Informationen zu Bezeichnung und Bestimmungszweck, geografischer und administrativer Lage, Besitz und Schutzauflagen, Merkmalen des städtischen und territorialen Kontextes, Chronik); II. Historische Daten (frühere Standorte, Außen- und Nebenstellen, Herkunft, Bauabschnitte); III. Architektonische Daten (Ausdehnung, Typologie, Erhaltungszustand); IV. Ikonographie (topographische Karten und Landkarten, Zeichnungen und Ansichten, Fotografien); V. Literatur und Archivquellen. Zur weiteren Vertiefung ist neben den Eckdaten und der ikonographischen Auswahl jeder erfassten Einheit ein Datenblatt im pdf-Format beigefügt, das mit einer ISBN-Nummer versehen ist und nach vorheriger Registrierung heruntergeladen werden kann; es enthält ausführliche Informationen zur Geschichte und Architektur sowie das ikonographische Verzeichnis, das Literaturverzeichnis und die dokumentarischen Quellen.

Navigation

Die Website ist so strukturiert, dass man vom Bereich Nervenheilanstalten à des Menüs zwischen den ehemaligen italienischen Nervenheilanstalten, die nach ihrer geografischen Lage geordnet sind, blättern kann. So kann der sofortige Zugriff ausgehend von ihrer territorialen Verteilung gemäß einer geografischen und administrativen Gliederung (Region à Provinz à), die mit einer georeferenzierten Kartierung verknüpft ist, erfolgen. Die Provinzen beziehen sich auf ihre historischen Grenzen. Ein weiterer Suchpfad, zu dem man über den entsprechenden Menüpunkt gelangt, gestattet die Suche nach einzelnen oder mehreren Kriterien: Zeitabschnitte der Gründung oder Umwidmung, Bautypen, Architekten oder Ingenieure, Nervenärzte oder Psychiater und sonstige Kriterien. Dies ermöglicht einen Vergleich der Einrichtungen sowie neben einer diachronischen Untersuchung der Nervenheilanstalten/psychiatrischen Kliniken eine synchronische Betrachtungsweise nach signifikanten Intervallen oder nach einzelnen Aspekten oder Kategorien innerhalb des italienischen Staatsgebiets. Die Website enthält einen Link zum Portal Carte da Legare à, so dass eine Integration der historischen und architektonischen Informationen mit der Dokumentation zur Geschichte der medizinischen Einrichtungen erfolgen kann, und zum Portal Archivi degli Architetti (Archive der Architekten) à; beide Portale gehören zur thematischen Abdeckung des SAN.

Suche

In diesem Bereich können die katalogisierten Daten aus der statistischen Erfassung der italienischen psychiatrischen Kliniken gefiltert werden. Es kann eine einfache Textsuche bei allen Inhalten des Portals oder eine erweiterte Suche über den persönlichen Bereich der Website durch Anklicken des Links oben rechts durchgeführt werden.

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